In einer Gesellschaft, die die Meinungsfreiheit als einen ihrer höchsten Werte schützt, stehen wir immer wieder vor der Herausforderung, die Grenzen dieser Freiheit im Hinblick auf eine mögliche Verletzung der Rechte Dritter zu bestimmen. Diese Frage wird besonders relevant, wenn es um die Verwendung des Begriffs „Betrüger“ als Meinungsäußerung geht, insbesondere in Zeiten der Anonymität des Internets, in denen Betroffene häufig mit diesem Etikett versehen werden. Aber ist es immer gerechtfertigt, diese Äußerung unter den Schutz der Meinungsfreiheit zu stellen? In diesem Zusammenhang werde ich erläutern, worauf es ankommt und welche Grenzen zu akzeptieren sind.
Zulässige Meinungsäußerung oder unerlaubte Tatsachenbehauptung?
In Online-Meinungsforen und Blogs werden täglich lebhafte Diskussionen über verschiedene Sachverhalte geführt, bei denen jemand eine vermeintliche Ungerechtigkeit erleidet oder sich ungerecht behandelt fühlt. In diesen hitzigen Diskussionen fallen oft Aussagen wie „Das ist Diebstahl“ oder „X ist ein Betrüger“. Die entscheidende Frage in solchen Fällen ist jedoch: Handelt es sich um zulässige Meinungsäußerungen oder um unzulässige Tatsachenbehauptungen, die eine nachweisbare Straftat voraussetzen?
Grundsätzlich können unwahre Tatsachenbehauptungen und Schmähkritik einen Unterlassungsanspruch des Beleidigten begründen, während Meinungsäußerungen, die von der Meinungsfreiheit gedeckt sind, wie z.B. Werturteile, in der Regel zulässig sind.
Die Verwendung solcher Begriffe wird in den meisten Fällen nicht automatisch als Schmähkritik gewertet, es sei denn, der Einzelfall weist Besonderheiten auf. Die grundsätzliche Einschätzung eines Laien, ein bestimmtes Verhalten sei strafrechtlich relevant, wird nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs regelmäßig als zulässige Meinungsäußerung und nicht als Tatsachenbehauptung angesehen. Dabei wird davon ausgegangen, dass juristische Fachbegriffe, die von Laien verwendet werden, in erster Linie eine Rechtsauffassung darstellen, die als (zulässige) Meinungsäußerung angesehen wird.
Eine Ausnahme macht die herrschende Rechtsprechung allerdings dann, wenn die geäußerte Rechtsauffassung zwar nicht eindeutig erkennbar ist, aber beim Adressaten zugleich die Vorstellung von konkreten, nachprüfbaren und beweisbaren Vorgängen hervorruft, die in die Wertung eingekleidet sind. In solchen Fällen könnte die Meinungsfreiheit eingeschränkt sein.
Der Kontext ist entscheidend: Eine individuelle Bewertung bei schwerwiegenden Vorwürfen ist stets erforderlich
Mit Urteil vom 14.01.2015 (Az. 6 U 156/14) hat das OLG Karlsruhe klargestellt, dass die Bezeichnung einer Person als Betrüger, Rechtsbrecher, Lügner, Halunke und Gauner nicht isoliert betrachtet werden kann. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall ging es um eine E-Mail eines ehemaligen Parteimitglieds an Parteikollegen. In dieser E-Mail wurden heftige Beleidigungen gegen ein anderes Parteimitglied geäußert, verbunden mit Links, die auf mögliche Unregelmäßigkeiten in verschiedenen politischen Sachverhalten hinwiesen.
Die Richter des OLG Karlsruhe betonten, dass diese beleidigende Wortwahl nicht isoliert betrachtet werden dürfe. Erst im Gesamtzusammenhang der E-Mail werde deutlich, dass es dem Verfasser nicht nur um persönliche Diffamierung gehe, sondern auch um die Verbindung von sachlicher Kritik mit einer drastischen Ausdrucksweise. Solange sachliche Argumente genannt werden, halten die Richter eine gewisse Schärfe in der Wortwahl für akzeptabel. In diesem Fall sahen sie keinen Grund, die Meinungsfreiheit einzuschränken.
Ebenso das OLG Koblenz:
Auch das Oberlandesgericht Koblenz bewertete in einer Entscheidung vom 12.07.2007 (Az. 2 U 862/06) die Verwendung des Begriffs „Betrüger“ in einem Internetforum als zulässige Meinungsäußerung. Dabei betonte das Gericht, dass der Nutzer den Begriff „Betrüger“ nicht im strafrechtlichen Sinne meinte, sondern sich aufgrund falscher Werbeaussagen betrogen fühlte. Nach Ansicht des Gerichts ging es dem Verfasser vielmehr darum, Dritte vor möglichen Täuschungen zu warnen und nicht darum, den Betroffenen persönlich herabzusetzen.
Wichtig ist jedoch, dass dieses Urteil nicht als Freibrief verstanden werden darf, da andere Gerichte in ähnlichen Fällen zu anderen Ergebnissen kommen können.
Urteil des KG Berlin: Die Verwendung des Begriffs „Betrüger“ kann unter bestimmten Umständen als akzeptable Meinungsäußerung gelten
Das Kammergericht Berlin hat kürzlich in einem wichtigen Urteil Stellung genommen und entschieden, dass die Verwendung des Begriffs „Betrüger“ als zulässige Meinungsäußerung angesehen werden kann. In dem zugrunde liegenden Fall ging es um die Äußerung „Wenn man Betrügern Betrug vorwirft, sind sie plötzlich sehr engagiert“. Die Klägerin hatte den Beklagten auf Unterlassung dieser Äußerung sowie auf Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten verklagt, da der Beitrag unzulässige Tatsachenbehauptungen enthalte.
Das Kammergericht kam jedoch zu dem Ergebnis, dass die fragliche Äußerung in ihrem Gesamtzusammenhang nicht als Tatsachenbehauptung, sondern als zulässige Meinungsäußerung einzustufen sei, die unter den Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG falle. Das Gericht betonte in diesem Zusammenhang, dass der Begriff „Betrüger“ in diesem Fall in einem umgangssprachlichen Kontext und nicht im strafrechtlichen Sinne verwendet wurde.
Auch eine unzulässige Schmähkritik erkannte das Gericht in der Äußerung nicht. Die Bezeichnung „Betrüger“ oder „Betrügerin“ ist in juristischen Auseinandersetzungen immer wieder ein umstrittenes Thema und kann je nach Kontext sowohl als Tatsachenbehauptung als auch als Meinungsäußerung eingestuft werden. Dabei spielt der jeweilige Kontext, in dem die Äußerung getätigt wird, eine entscheidende Rolle. Daher ist in solchen Fällen stets eine genaue Einzelfallbetrachtung erforderlich, um die zulässige Verwendung des Begriffs „Betrüger“ zu bestimmen. Das vorliegende Urteil beleuchtet die komplexen Rechts- und Auslegungsaspekte im Zusammenhang mit der Bezeichnung „Betrüger“ und deren Einordnung als Meinungsäußerung oder Tatsachenbehauptung.
In beiden Fällen wird betont, dass die Beurteilung von Aussagen wie „Betrüger“ stark vom Kontext abhängt und eine sorgfältige Abwägung zwischen Meinungsfreiheit und Schutz vor Beleidigung erforderlich ist.
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